Hintergrund

Weihnachten ganz reduziert - Gedanken über unsere Kreuzkrippe

24.12.2020 · Marktl am Inn · Geburtshaus

Zur Kontaktreduzierung werden wir allenthalben aufgerufen in diesen Wochen. Das ist aus gesundheitlichen Gründen sicher gut zu verstehen, auch wenn uns die seelischen und wirtschaftlichen Lasten immer deutlicher vor Augen sind. Auch die Adventszeit ist von solchen Reduzierungen betroffen. So vieles, was sich an Brauchtum und liebgewonnenen Traditionen entwickelt hat, kann heuer nicht stattfinden: Konzerte, Christkindlmärkte, Vereinsfeiern, das Frühstück nach dem Rorategottesdienst. All das, was uns auf das Fest einstimmen möchte, fällt weg, so dass Weihnachten am Erde irgendwie entblößt dasteht, gleichsam entkleidet von allem leuchtenden und glitzernden Gepränge der Wochen vorher. Auch Weihnachten scheint heuer reduziert zu werden. Ohne den klassischen Advent bleibt am Ende nur noch das nackte Fest, Weihnachten pur.

Weihnachten pur und auf den Kern reduziert – das will auch eine Krippe des Künstlers Hubert Huber ausdrücken, die ihren Platz im Geburtshaus von Papst Benedikt XVI. in Marktl gefunden hat. In dem Futtertrog aus Stahl findet sich ein längliches Stück helles Glas. Hier ist das Entscheidende von Weihnachten in reduzierter Bildsprache ausgedrückt: Das Glas, das nichts anderes will, als das Licht aufzunehmen und weiterzugeben, steht für den Gott, der in die Welt kommt. Das Johannesevangelium nennt ihn „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (1,9). Unscheinbar und zerbrechlich wie Glas liegt das göttliche Kind in der Krippe. Kann es eine größere Reduzierung geben, als wenn der große Gott sich zum Kind macht? „Er liegt dort elend, nackt und bloß in einem Krippelein“, werden wir an Weihnachten wieder singen.

Doch das Kunstwerk will kein liebliches „Krippelein“ sein. Der kalte Stahl des Futtertrogs steht für die Kälte der Welt, die sich schwertut mit dem liebenden Werben Gottes: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ (Joh 1,11). In der Kälte des Stahls dürfen wir auch die Rätselhaftigkeit unserer Welt erkennen: In Gottes guter Schöpfung müssen wir dennoch mit Ansteckung und Krankheit rechnen. Noch ist die Schöpfung verwundet, ist sie unterwegs zum vollen Aufatmen.

Unübersehbar bilden die beiden Stahlplatten der Krippe ein Kreuz. Der Lebensweg des Jesuskindes ist hier auf das Wesentliche reduziert: Was in der lichtvollen Geburt begonnen hat, wird am harten Kreuz enden. Doch nur kurze Zeit siegt die Todeskälte. An Ostern wird sich das Licht von Weihnachten neu durchsetzen.

Weihnachten 2020 pur: mit viel weniger Adventsterminen. Weihnachten ganz reduziert: Glas und Stahl, Krippe und Kreuz. Christentum auf das Wesentliche reduziert: Licht von oben in die Geburtsgrotte an Weihnachten, Licht von unten aus der Grabeshöhle an Ostern. Auch wenn in diesem Jahr der Verzicht auf vieles schmerzt, der Kern von Weihnachten bleibt und ist heuer vielleicht sogar noch unverstellter zu entdecken als in den Jahren, in denen Weihnachten immer gleich und immer vertraut ablief.

„Wir müssen Kontakte reduzieren, damit wir unser Weihnachten retten!“, so rief ein Politiker unlängst auf. Er hat es bestimmt in bester Absicht gesagt. Und doch: Weihnachten ist zuerst nicht unser Fest, es ist Gottes Fest, das er sich und uns bereitet. Retten müssen nicht wir das Fest – vielmehr will das Fest uns retten. Und so sehr wir in diesem Winter Vorschriften einhalten und Kontakte reduzieren müssen, am Ende zählt nicht das Müssen, sondern das Dürfen. Wir dürfen uns Gott nähern, seit sich Jesus Christus in die Krippe, in unsere harte Welt legen ließ. So stehen am Ende nicht das Zurückfahren und der Verzicht, sondern die Zurück-Führung in die ganze Fülle des Menschseins, das dem Krippenkind zu eigen war und in das es alle führen möchte, die sich ihm durch Krippe und Kreuz anvertrauen.


Dr. Franz Haringer
Theologischer Leiter

Altöttinger Liebfrauenbote, 6.12.2020
Passauer Bistumsblatt, 13.12.2020



Künstler: Hubert Huber
Fotos: Dionys Asenkerschbaumer